Was war, was kommt, was bleibt


Ein Jahr in Liedern

Als Blogger macht man so was. Einen Jahresrückblick schreiben. Vor genau einem Jahr habe ich das getan (Gedanken zum Jahresende) und genau diesen Text habe ich mir eben einmal durchgelesen.
Ich bin ein bisschen traurig geworden. Weil ich irgendwie das Gefühl hatte, diesen Text hätte ein völlig anderer Mensch geschrieben. Er klingt so hoffnungsvoll. So mit sich im Reinen, wie ich es heute längst nicht mehr bin. Ich wünschte, ich könnte manchmal so sein. Aber dieses Jahr hat mir meine Kräfte geraubt. Es hat mir die Hoffnung genommen und nur meinen Durchhaltewillen wachsen lassen. Deshalb habe ich auch keine Lust, einen Jahresrückblick zu schreiben. Und stattdessen beschlossen, dass ich es gerne kreativ hätte. Ein Jahr in Musik zusammengefasst. Wie ich es erst vor einigen Tagen mit einer Woche gemacht habe. Pro Kategorie nenne ich drei Lieder, die für mich dazu passen und das Jahr 2017 geprägt haben.

Menschen des Jahres

 
Vor einem Jahr habe ich darüber geschrieben, wie wichtig mir Menschen sind. Meine Familie, meine Freunde. Und ja, das ist heute immer noch so. Ich bin wahnsinnig dankbar, dass es Menschen gibt, die mich so mögen wie ich bin. Und gerade an Weihnachten war ich ein bisschen stolz auf mich. Ich habe nicht nur Freunden Frohe Weihnachten gewünscht, sondern mich via Facebook auch bei meiner schwedischen Gastfamilie, meiner irischen Austauschschülerin und einer früheren Grundschulfreundin gemeldet. Ich habe meiner schwangeren Cousine, zu deren Familie meine Eltern den Kontakt abgebrochen haben, eine Nachricht geschrieben. Mich längere Zeit per E-Mail mit einer Bekannten unserer Familie ausgetauscht. Einer Kommilitonin einen Gefallen getan. Ich bin auf Menschen zugegangen. Nicht das ganze Jahr über, aber wenigstens in den letzten paar Wochen habe ich bewiesen, dass ich doch nicht so unfähig bin, Kontakte zu knüpfen wie ich meistens denke. Was daran wirklich schön und ein bisschen verrückt ist: Ich habe wahnsinnig viel zurückbekommen. So viel Freude zu spüren bekommen, weil die anderen ein bisschen erstaunt waren, dass ich an sie gedacht habe. Unter den 80 Millionen Menschen in Deutschland plus weiteren Millionen außerhalb des Landes habe ich mir die herausgesucht, die ich in meiner Nähe haben möchte. Wenige. Aber wahrhaftig.
Filme des Jahres

 
Auch ein paar positive Erlebnisse nehme ich mit in 2018. Ich habe mich gerade an zwei wundervolle Kinobesuche erinnert. In "LaLaLand" musste ich einfach gehen. Alles an diesem Film zog mich magisch an. Und da mein Studium erst nach der Oscarverleihung anfing, war ich sogar so verrückt, Teile der Award Ceremony live anzugucken. LaLaLand hat mir beigebracht, dass man seine Träume nicht aufgeben darf. Ich habe oft gedacht, ich hätte das getan. Aber sie sind noch da. Sie sind da und gehen nicht weg. Meine Träume bleiben. Auch wenn es verrückt ist, daran zu glauben, dass sie wahr werden.

Der zweite Film: ein paar Wochen später, spontan. Mit ein paar alten Schulfreundinnen verabredet und beim Abendessen einfach so beschlossen, dass wir noch in "Die Schöne und das Biest" gehen. Belle, das belesene, intelligente Mädchen. Ausgestoßen, weil sie ihrer Zeit voraus ist. Ich konnte mich irgendwie ganz gut in diese Hauptfigur einfühlen, auch wenn ich nicht behaupten will, meinem Umfeld überlegen zu sein. Das Biest. Durch Belle irgendwie gezähmt. Demütig geworden. Und aufrichtig liebend. Ich möchte jemanden finden, der mich so liebt wie das Biest Belle.

Diese beiden Filme sind mir von allen, die ich dieses Jahr gesehen habe, am meisten im Gedächtnis geblieben. Ich habe anscheinend eine Schwäche für Filme, in denen Schauspielerinnen mit dem Vornamen Emma mitspielen. Und in denen gesungen wird.
 

Reisen des Jahres



Ich habe nicht viel Positives aus diesem Jahr mitgenommen. Aber eines immerhin: Ich war in Schweden, also kann es keine Katastrophe gewesen sein. In Malmö, meiner Herzensstadt. Jeden Tag, den ich bisher dort verbracht habe, roch es nach frischer Luft und Sonnenschein. Die Stadt ist lebendig, aber nicht überlaufen. Industrieviertel, aber viel Grün. Arbeitende Menschen, aber trotzdem ganz viel Lachen und wenig Stress. Und wieder zuhause, wird die Sehnsucht nach Schweden manchmal übermächtig. Ich fühle mich dort so angekommen. Alles scheint vertraut, auch an Orten, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Mein Land. Ich möchte so bald wie möglich noch mal dorthin. Und ganz lange bleiben.
 

Veränderungen des Jahres

Studium. Das Erste, was mir einfällt. Wieder was zu tun, ein geregelter Alltag, was prinzipiell gut ist. Trotzdem: immer wieder Kämpfe mit mir selbst. Anpassungsschwierigkeiten. Manchmal in der Uni angekommen und sofort den Wunsch gehabt, wieder daheim zu sein. Die ewige Frage "Was stimmt nicht mit mir?", weil ich zu vielen Kommilitonen so gar keinen Draht hatte. Mit dem Studium bin ich auch ins Uniorchester eingetreten und wir haben im Sommer bei mehreren Aufführungen ein wirklich großartiges Programm gespielt.
Außerdem ist meine Schwester aus den USA zurückgekehrt. So schön das auch war, so sehr bereitete mir ihre Rückkehr aber auch Bauchschmerzen, weil wir ihr mitteilen mussten, dass sich unsere Eltern in der Zwischenzeit getrennt hatten. Ansonsten – naja, sie ist 16. Ich sage mal vorsichtig, vielleicht nicht das allerunproblematischste Alter.
Probleme des Jahres

Jetzt könnte ich loslegen. Von meiner geschundenen Psyche erzählen. Davon, wie mir dieses Jahr erst klar wurde, wie viel bei mir im Argen liegt. Wie viel ich hätte aufarbeiten müssen, mein ganzes Leben lang. 2017 ist das Jahr, in dem ich mich in Therapie begab. Mich selbst mit ganz anderen Augen sah. Mir klar wurde, dass die Sache mit meiner Psyche mehr sein könnte als nur eine schlechte Phase. Bis heute fällt es mir schwer, darüber zu reden. Ich lebe in ständiger Angst, dass Menschen, die mich täglich sehen und über mich urteilen, herausfinden könnten, wie es mir geht. Nun gehe ich zwar nicht gerade damit hausieren, aber ich hab’s hier geschrieben und auf Twitter. Das bereue ich übrigens nicht. Seit ich zumindest auf meinem Blog und bei Twitter kein Geheimnis aus meinem Zustand mache, habe ich ausschließlich positive Reaktionen darauf erhalten. Ich habe herausgefunden, dass es viele Menschen gibt, die sich ähnlich fühlen wie ich. Und das lässt mich irgendwie ein positiveres Fazit ziehen als ich gedacht hätte, während ich die ersten Zeilen dieses Textes schrieb.
Ich habe meinen Frieden mit 2017 gemacht. Es war längst kein so gutes Jahr wie 2016, aber ich bewege mich vorwärts. Glaube ich. Ich bleibe nicht stehen, auch wenn es sich oft nach Stillstand anfühlt. Ich sehe heute, am 27. Dezember, deutlich den Fortschritt zu März oder April. Manchmal gelingt es mir bewusst, gute Momente einzufangen, weil diese (was schade ist) selten sind. Ich habe noch immer keine wirklich engen Freunde unter meinen Kommilitonen. Es braucht Zeit, bis ich Vertrauen fassen kann. Abe inzwischen kann ich wenigstens mit vielen von ihnen unbeschwert reden und lachen, und das ist verdammt viel wert.

 

Ich versuche weiterzumachen, weiterzugehen. Auch im kommenden Jahr. Ich hasse Neujahrsvorsätze (den Sinn dahinter habe ich nie verstanden), aber das verspreche ich mir jetzt mal. Ich bin 18 Jahre alt. Volljährig und damit offiziell kein Kind mehr. Aber ich habe noch Jahre Zeit, ein besseres Leben zu führen als jetzt. Ich werde nicht aufgeben, auch wenn es noch so dunkel aussieht. Und wenn es erst in zehn Jahren besser wird, habe ich immer noch Zeit.
2017 – mein Jahr des Scheiterns. Aber auch der Erkenntnis, dass man manchmal einen langen Weg gehen muss, um ans Ziel zu kommen. Und das Ziel war dieses Jahr verflucht weit weg und ist es noch immer. Dennoch: Ich laufe durchschnittlich 12 000 Schritte am Tag. Einige davon führen sicher in die richtige Richtung.

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