Mein schwieriges Verhältnis zu Weihnachten
Alle Jahre wieder
Jetzt ist es also wieder
so weit. Gestern war Totensonntag, damit wurde die Weihnachtszeit offiziell eingeläutet.
Der Advent steht vor der Tür. Für viele Menschen sind die Wochen vor
Weihnachten die stressigsten. Arbeit beziehungsweise Klausuren, die unbedingt noch
im alten Jahr erledigt beziehungsweise geschrieben werden müssen, nebenher
Geschenke kaufen, Weihnachtsbaum aufstellen, Plätzchen backen – ja, ich kann
gut nachvollziehen, dass das für viele Menschen Stress bedeutet. Für mich auch.
Als ich noch zur Schule ging, standen im Dezember immer die Proben für das
Weihnachtskonzert an. Den Lehrern fiel ein, dass wir noch vor den Ferien die Klausur schreiben mussten. Wirkliche Besinnlichkeit kam daher selten auf.
Trotzdem, ich habe mich
immer auf Weihnachten gefreut. Ich stand backend in der Küche, obwohl ich in
der Familie die wenigsten Plätzchen esse. Ich habe unseren Adventskranz meist
selbst gemacht. Ein wohliges Gefühl gehabt, wenn wir die erste, zweite, dritte,
vierte Kerze angezündet haben. Ich war gerne auf dem Weihnachtsmarkt, habe mit
Begeisterung Weihnachtslieder angehört und zum Teil selbst eingeübt. Ja, ich
war immer das, was man als Weihnachts-Junkie bezeichnen könnte. Aber nur bis
Mittag des Heiligen Abends.
Wir hatten immer viele
Weihnachtstraditionen in unserer Familie. An Heiligabend zu Mittag "Drei Haselnüsse
für Aschenbrödel" angucken. Abends in die Kirche und dann unser traditionelles
Weihnachtsessen (nein, nicht Würstchen mit Kartoffelsalat). Am ersten Feiertag
zu Oma und Opa zum Gänsebraten essen und am zweiten zum Kaffee zu den anderen
Großeltern. So war es bei uns.
Als ich noch ein Kind
war, hatten diese drei Tage für mich einen ganz besonderen Weihnachtszauber.
Auch wenn mein Wunsch nach Schnee (den ich zu jedem anderen Zeitpunkt im Jahr
ganz und gar nicht leiden kann) fast nie wahr wurde, so war Weihnachten doch immer
etwas ganz Besonderes für mich.
In den letzten paar Jahren
war das nicht mehr so. Ich saß da, an dem Tag, auf den ich mich vier Wochen
lang gefreut hatte. Bis zum Programmpunkt "Film" war alles gut. Dann habe ich
darauf gewartet, dass sich das weihnachtliche Gefühl einstellt. Doch es ist
nicht gekommen. Meist hatte ich einen kurzen Anflug davon, wenn in der Kirche "Stille
Nacht" erklang. Aber geblieben ist es nie.
Meine Eltern meinten, das
sei normal. Sie selbst hätten Weihnachten als Kinder geliebt und danach nie
wieder als so wichtig empfunden, bis sie selbst Kinder hatten. Für mich wurde
es aber nicht unwichtig. Im Gegenteil. Es blieb wichtig, die Vorfreude war ungebrochen
groß. Nur das Fest selber war eine Enttäuschung. Jedes Jahr aufs Neue. Ich habe
versucht, mich selbst vorzuwarnen, nicht so viel davon zu erwarten. Doch es
blieb komisch. Weihnachten und ich – seit einigen Jahren ist das eine
enttäuschte Liebe.
Ich hatte gehofft, dass es
dieses Jahr anders werden würde. Es ist das erste Weihnachtsfest, seit meine
Eltern sich offiziell getrennt haben. Viele unserer Traditionen werden wir
ohnehin brechen müssen. Das eigentliche Fest nicht mit beiden gemeinsam erleben. Ich
habe gehofft, dass sich dieses Jahr meine vorweihnachtliche Begeisterung in Grenzen
hält, weil ich im Voraus weiß, dass ich dieses kindliche Gefühl der Freude
nicht mehr haben werde. Mir ist auch bewusst, dass es in meinem derzeitigen
Zustand ohnehin SEHR schwer geworden wäre, überhaupt diese Freude zu empfinden.
Trotzdem habe ich gestern schon wieder mit Begeisterung die ersten
Weihnachtslieder angehört. Mich in der Frühe sogar kurz über den Schnee
gefreut. Ich habe mit meiner Mutter einen Termin zum Plätzchen backen
vereinbart und mit meiner Schwester über die Farbe der Kerzen auf unserem
diesjährigen Adventskranz debattiert. Ja, ich habe mich schon wieder in diese Vorfreude
auf Weihnachten reinziehen lassen, obwohl ich damit rechnen muss, dass
das Fest erneut ein Reinfall wird.
Ich habe keine Ahnung,
wie das Fest dieses Jahr für uns ablaufen wird. Ob ich zu irgendeinem Zeitpunkt
positive Gefühle werde aufbringen können oder ob die Enttäuschung einmal mehr alles
überschattet. In jedem Fall wünsche ich Euch allen eine schöne Zeit. Genießt
sie, wenn Ihr es könnt. Ich hoffe für Euch, dass Ihr mehr Harmonie erleben
werdet als ich.
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