Dunkle Tage


Dunkle Tage

Wir haben alle ab und zu schlecht gefrühstückt, sind schlecht gelaunt, mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden, uns ist eine Laus über die Leber gelaufen – es gibt unzählige Ausdrücke für ein und dieselbe Sache: einen schlechten Tag haben.
Von Zeit zu Zeit fühlen wir uns mutlos, sind genervt, vielleicht auch sauer auf uns selbst oder Andere, finden alles doof… ich könnte ewig so weitermachen.
Ja, wir alle haben diese dunklen Tage, Wochen, Monate. Gerade jetzt in der "dunklen Jahreszeit“, wenn wir kaum Licht zu sehen bekommen, fällt es schwer, sich seine gute Laune zu bewahren.
In elf Tagen ist Weihnachten, in 19 Tagen beginnt 2017. Das Jahr ist alt und hat uns vor viele Herausforderungen gestellt.
Bedeutende Persönlichkeiten haben diese Welt verlassen: Musiker wie David Bowie, Prince und Leonard Cohen sind gestorben, Politiker wie Hans-Dietrich Genscher, Guido Westerwelle und Schimon Peres, aber auch Götz George und Muhammad Ali, um nur einige wenige zu nennen.
Die Wahl in den USA hat so ziemlich jeden, der auch nur das kleinste bisschen Interesse an Politik hat, bewegt und fassungslos gemacht, doch auch in Deutschland spaltete die AfD die Nation.
Doch das ist noch lange nicht alles. Es sind Dinge geschehen, die uns Angst gemacht haben. In Belgien und Frankreich gab es mehrere Terroranschläge, ein Amoklauf in München brachte das Gefühl der Todesangst ganz nah zu uns. Ich habe Verwandte, die dort leben. In so einem Moment verspürt man ganz viel Angst um die Menschen, die man liebt und natürlich auch um sich selbst.
Erst heute habe ich erfahren, dass der Widerstand der Rebellen im syrischen Aleppo gebrochen zu sein scheint. Viele, viele Menschen, die täglich für Freiheit und Gerechtigkeit gekämpft haben, sind besiegt worden. Von Macht, Grausamkeit und Ungerechtigkeit. Das ist ein schwerer Schlag für jemanden wie mich, für den Freiheit ein hohes Gut ist. Die dunklen Tage dieser Menschen sind noch viel dunkler als unsere. Für sie geht es täglich um Leben oder Tod, darum, etwas zu essen zu haben und ein Dach über dem Kopf.
Man könnte sich jetzt fragen, was noch bleibt von dieser Welt, von diesem Jahr, in dem es keinen Tag ohne Hiobsbotschaft gegeben zu haben scheint. In dem wir uns mehr als einmal verloren, verängstigt, fassungslos gefühlt haben. In dem es nur Dunkelheit gegeben zu haben scheint.
Ich bin ein kleiner (okay, ziemlich großer) Harry Potter-Fan, und für mich ist die Antwort auf diese Frage ein Zitat von Dumbledore, dem Allwissenden:

Happiness can be found even in the darkest of times, if only one remembers to turn on the light.

Es sind diese kleinen Momente des Lichts, des Glücklich-Seins, die wir in unserem Leben brauchen. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, nicht aufhören, daran zu glauben, dass es noch Gutes gibt. Mein persönliches Jahr 2016 war das beste und zugleich das schlimmste, herausforderdste Jahr meines Lebens. Ich habe Abi gemacht, ein Land erobert, mich weiterentwickelt. Gleichzeitig habe ich viel gelitten, geweint, war wütend. Man darf auch mal mit der Faust auf den Tisch hauen, man darf schreien und toben. Es rauslassen, diese Wut und Traurigkeit über die Ungerechtigkeit der Welt und genauso über die, die einem selbst widerfährt. Für mich waren meine persönlich dunklen Tage essenziell, wichtig, um mich zu dem Menschen zu machen, der ich geworden bin. Ich habe viel aus diesen dunklen Tagen, die manchmal zu Wochen und Monaten geworden sind, gelernt. Ich habe das Licht angeknipst, habe in diesem Jahr immer wieder Freude gefunden, Momente der Glückseligkeit. Durch meine Niederlagen und Enttäuschungen habe ich erst angefangen, alles Gute zu schätzen und nicht für selbstverständlich hinzunehmen.
Es mögen dunkle Zeiten sein, doch auch wenn die Sonne gar nicht mehr aufzugehen scheint, können wir noch Lichter, Kerzen anzünden.
In Skandinavien wird heute, am 13. Dezember, das Luciafest gefeiert. Das Fest der Lichter. Die älteste Tochter in der Familie ist die Lucia. In weißen Gewändern mit Kerzen auf dem Kopf. Sie verstehen es zu feiern, die Skandinavier, und gerade in der düstersten Zeit des Jahres erhellen sie mit ihren Lichtern die Welt. Weiße Gewänder – die Farbe der Unschuld, etwas, das in unserer Welt wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint.
Ich möchte den heutigen Tag zum Anlass nehmen, dazu aufzurufen, dass wir alle nie vergessen, ab und zu das Licht anzuknipsen. Dass wir unerschütterlich positiv bleiben, egal wie negativ die Welt um uns herum zu sein scheint. Dass wir heute alle ein bisschen Lucia sind, ein bisschen Kind, ein bisschen unschuldig, und dass wir Licht in die Welt bringen.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf.


 
Foto: theapricity.com
 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Über mich

Fernweh

Über das Leben und den Tod