Advent heißt Ankunft


Advent heißt Ankunft


Gestern war Totensonntag. Ich war ehrlich gesagt ein bisschen geschockt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Jetzt ist wieder Weihnachtslieder singen und Plätzchen backen angesagt.
Ich habe mir vorgenommen, das alles dieses Jahr ganz bewusst zu tun. Kein Schulstress, keine Klausuren – sondern stattdessen demnächst ein Praktikum in einem Bereich, der mich sehr interessiert und auf mein Studium vorbereiten wird.
Nächste Woche ist dann der erste Advent. Als jemand, der acht Jahre Latein in der Schule hatte, weiß ich natürlich genau, dass das Wort "Advent" vom lateinischen advenire kommt, was "ankommen" bedeutet. In der christlichen Religion bezieht sich das auf den Messias. Auf Weihnachten.
Aber man kann auch ein Stück weit selbst einen Advent erleben, eine Ankunft bei sich selbst. Und das ist mir in diesem Jahr so gut gelungen wie noch nie. Mit meiner Schulzeit habe ich auch meine Kindheit abgeschlossen. Den Weg, den ich eingeschlagen habe, gehe ich von nun an selbstständig, ohne irgendwelche Vorschriften. Ich weiß jetzt, wer ich bin und was ich will.
Auf die Allgemeinheit bezogen war dieses Jahr leider überhaupt kein Advent. Es sind viele furchtbare Dinge geschehen, die mich sehr erschüttert haben. Der Amoklauf in München, um nur mal ein Beispiel zu nennen, ging mir sehr nahe, weil ich Familie und Freunde dort habe – und zwei Tage vor dem Amoklauf selbst noch durch die Straßen dieser Stadt gelaufen war. Es fühlt sich so nah an, dass man vor all dem nicht mehr weglaufen, seine Augen nicht mehr verschließen kann. Schlimme Dinge passieren nicht nur woanders, sondern auch hier, auch in Deutschland. Im Nachbarland Frankreich hat sich der Terror, wie schon im letzten Jahr, erneut breit gemacht – und das alles hat Auswirkungen auf mich, wie sicherlich auch auf andere Menschen.
Erst vor einigen Tagen, als ich den "Supermond" bestaunen wollte und dafür im Dunkeln allein das Haus verließ, habe ich wieder gemerkt, wie sehr die Angst von mir Besitz ergriffen hat. Ich war regelrecht panisch und habe jedes Auto, das vorbei gefahren ist, jeden Menschen, der mir entgegenkam, misstrauisch beäugt. Das, was vor knapp einem Jahr in Köln geschehen ist, kann man nicht leicht vergessen, es hat mich als Mädchen, junge Frau, ängstlicher gemacht, auch wenn ich mich dafür schäme. Ich war im Oktober in Nizza, dort, wo am 14. Juli viele Menschen ihr Leben lassen mussten, und ich hasse mich selbst dafür, dass ich ein mulmiges Gefühl hatte, an der Promenade des Anglais entlangzulaufen.
Der 14. Juli ist der französische Nationalfeiertag. Am 14. Juli 1789 wurde während der Französischen Revolution die Bastille gestürmt, seitdem verkörpert dieser Tag das Motto der Französischen Revolution: "liberté, égalité, fraternité!" Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Und das ist es eigentlich genau, was wir jetzt brauchen, nach diesem verrückten Jahr, in dem so viel geschehen ist. Wir Menschen müssen verdammt noch mal begreifen, dass wir alle gleich sind. Dass es egal ist, welcher Religion man angehört, wo man herkommt, wie viel Geld man hat. Ob Flüchtling oder Millionär, ob Firmengründer oder Handwerker – wir sind doch alle Menschen. Entscheidend ist nicht die "Schale" eines Menschen, sondern der Kern. "Wichtig ist nicht, wer du bist, sondern was du tust." Es ist unser Verhalten, das uns ausmacht. Uns alle, ohne Ausnahme. Und wir sollten beweisen, dass wir Menschen zusammenhalten können. Gegen den Terror. Für unsere eigene Freiheit.
Meine eigene Reaktion auf die Geschehnisse in diesem und auch im letzten Jahr zeigt, wie sehr wir uns in unserer Freiheit einschränken lassen. Dass wir Angst bekommen, wenn wir ganz natürliche Dinge tun, z.B. in den Urlaub fahren oder abends alleine eine Straße entlanglaufen. Diese Reaktion mag natürlich sein, aber sie ist falsch. Wir sollten all diese Dinge tun, die wir wollen. Ohne Angst. Wir sollten zeigen, dass wir uns nicht beeindrucken lassen. Dass wir Menschen stärker sind als der Terror.
Lasst diesen Advent eine Ankunft der Menschlichkeit und des Zusammenhaltes werden. Lasst nicht zu, dass er stattdessen eine Ankunft des Terrors und der Angst bedeutet. Lasst uns ein bisschen an uns selbst und auch an Andere denken und den Rest dieses Jahres zu einer schönen Zeit machen. Für uns alle.

                                      
Fotos: drwindows.de, privat
 
 

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